Unternehmensvorsorge
28. März 2022

Zahlreiche Gesellschaftsverträge enthalten Klauseln, die auf den ersten Blick den Privatbereich von Gesellschaftern betreffen. Gerade bei neu hinzutretenden oder jungen Gesellschaftern, wirft dies immer wieder Fragen auf: „Warum zwingt man mich einen Ehevertrag abzuschließen? Warum muss ich jetzt schon ein Testament machen? Bin ich nicht zu jung für eine Vorsorgevollmacht?“ Die Antwort ist eigentlich einfach: Als Gesellschafter oder Inhaber eines mittelständischen Unternehmens trägt man Verantwortung nicht nur für sich selbst, sondern auch für das Unternehmen und seine Mitarbeiter. „Unternehmensvorsorge“ ist deshalb gefragt. So werden das Unternehmen selbst und seine Mitarbeiter vor Ereignissen in der Privatsphäre des Gesellschafters geschützt, die Auswirkungen auf die Gesellschaft selbst haben können und für diese ein unkalkulierbares Risiko darstellen.

Ehe- und Erbrecht

Allgemeines

Niemand thematisiert gern zu Beginn seiner Ehe deren mögliches Ende – gleich ob durch Tod oder Scheidung. Aus diesem Grund haben sich in Gesellschaftsverträgen Klauseln durchgesetzt, die den Gesellschafter animieren sollen, dieses auch für die Gesellschaft wichtige Thema mit dem Ehegatten anzusprechen. Vermutlich hat kein Paar je die Ehe mit dem Ziel der Scheidung geschlossen. Und dennoch scheitern leider jedes Jahr viele Ehen (163.335 in 2015; Quelle: destatis.de). Und viele weitere Ehen werden durch Tod beendet. Doch welche Gefahren ergeben sich hieraus für das Unternehmen?

Zugewinn

Sowohl bei Scheidung als auch beim Tod findet grundsätzlich ein sog. Zugewinnausgleich statt. Für das Verständnis muss zunächst ein weit verbreiteter Irrtum ausgeräumt werden: Jeder Ehegatte hat auch nach der Eheschließung weiterhin eigenes Vermögen und haftet nicht für die Schulden des anderen. Erst bei Beendigung der Ehe wird der sog. Zugewinn ermittelt. Die Rechnung ist im Grunde einfach: Für jeden Ehegatten wird rechnerisch vom Vermögen bei Beendigung der Ehe („Endvermögen“) das Vermögen bei Beginn der Ehe („Anfangsvermögen“) abgezogen. Das ergibt den Zugewinn beider Ehegatten. Hat ein Ehegatte mehr hinzugewonnen als der andere, muss er die Hälfte des Mehrs an den anderen in Geld ausgleichen. Ausgenommen bleibt Vermögen, das die Ehegatten im Lauf der Ehe geschenkt bekamen. Der Wert im Schenkungszeitpunkt wird dem Anfangsvermögen hinzugerechnet.

Firmenvermögen wird bei der Zugewinnausgleichsberechnung berücksichtigt. Dabei besteht die erste Herausforderung schon in der Bewertung, denn Unternehmen sind komplexe Gebilde und der Wert nicht eindeutig bestimmbar. Dennoch stellen die Firmenanteile meist den größten Vermögenswert dar. Hierdurch entstehen nicht selten Zugewinnausgleichsansprüche, die aus dem verbleibenden Vermögen desjenigen Ehegatten, der die Anteile besitzt, überhaupt nicht gezahlt werden können. Ihm stehen dann drei Alternativen zur Verfügung, um die notwendige Liquidität zu generieren:

  1. Aufnahme eines Darlehens
  2. Entnahme aus Firmenvermögen
  3. Verkauf der Firma

Alternative 1 scheitert ggf. an den zu stellenden Sicherheiten, da Anteile mittelständischer Unternehmen regelmäßig nicht verpfändet werden dürfen, um im Ernstfall den Einstieg Dritter zu verhindern.

Alternative 2 belastet erstens wahrscheinlich das „working capital“ des Unternehmens. Zweitens führt sie zu ungleicher Risikoverteilung unter den Gesellschaftern, die der Gesellschaft nicht in gleicher Höhe Darlehen gewähren oder von dieser gewährt bekommen. Drittens muss sich die Gesellschaft für die Auszahlung an den Gesellschafter im Zweifel refinanzieren – mit allen wirtschaftlichen und steuerlichen Risiken.

Alternative 3 bedarf keiner näheren Erläuterung.

Achtung! Auch wer sein Firmenvermögen geschenkt bekam, ist nicht vollständig sicher:

  1. Echte Wertsteigerungen (nicht bloß ein infolge Inflation gestiegener Wert) erhöhen den Zugewinn. Ein Risiko für Gesellschafter wachsender Unternehmen.
  2. Hinzu kommt die Erbschaft- oder Schenkungsteuer. In Erbschafts- und Schenkungsfällen sorgen erhebliche „Freibeträge“ für eine verkraftbare Steuerlast; allerdings setzen diese „Freibeträge“ voraus, dass der Beschenkte in den 5 (teilweise sogar 7) Jahren nach dem Erbfall bzw. der Schenkung nur begrenzt Entnahmen tätigt. Muss der Gesellschafter zur Finanzierung des Zugewinns Entnahmen aus dem Unternehmen tätigen, kann dies zum Wegfall der steuerlichen Vergünstigungen führen und eine erhebliche Erbschaft-/Schenkungsteuer nach sich ziehen.

Bedeutung erlangt dies in zwei Fällen:

  1. Bei Tod des Gesellschafters verlangt der überlebende Ehegatte von den Erben (also den Kindern oder bei kinderlosen Gesellschaftern häufig den Geschwistern) den vollen Zugewinnausgleich, der den Gesamtwert oder zumindest die Wertsteigerung während der gesamten Ehe erfasst (Folge: Erbschaftsteuer).
  2. Bei Scheidung, wenn der Gesellschafter in den letzten 5 (bzw. 7) Jahren zuvor Anteile geschenkt bekam (Folge: Schenkungssteuer auf die geschenkten Anteile).

Gütertrennung oder modifizierte Zugewinngemeinschaft?

Wer die vorstehenden Risiken beseitigen will, muss entscheiden, ob er die Zugewinngemeinschaft nur modifizieren will, indem bestimmte Vermögensgegenstände bzw. -kategorien bei der Berechnung ausgenommen werden oder ob alle Ausgleichsansprüche ausgenommen sein sollen (Gütertrennung).

In früheren Zeiten war die Gütertrennung Standard. Inzwischen hat sich – zu Recht – die modifizierte Zugewinngemeinschaft durchgesetzt. Zum einen kann so der Zugewinn individuell gestaltet werden. Er dient nicht nur dem Vermögensausgleich, sondern hat auch eine Versorgungsfunktion, weil das während der Ehe aufgebaute Vermögen beiden zusteht und für die eigene Versorgung verbraucht werden kann. Seit der Reform des Unterhaltsrechts sind Ehegatten nach einer Scheidung darauf angewiesen, sich selbst zu versorgen (Grundsatz der Eigenverantwortung). Scheidungsfolgen werden so zumindest abgemildert und die Auseinandersetzung zwischen den Ehegatten so vielleicht sogar entschärft. Zum anderen wirkt sich der modifizierte Zugewinnausgleich im Todesfall steuerlich günstig aus. Der Zugewinn ist nämlich erbschaftsteuerfrei; im Erbschaftsteuerrecht wird er fiktiv berechnet, ohne dass die Modifikationen diesen Freibetrag mindern. Der Ehegatte kann somit ggf. erhebliches anderes Vermögen steuerfrei erhalten. Die Doppelbegünstigung durch Gewährung des steuerfreien Zugewinns und anderer Steuerbefreiungen (z. B. für das Familienwohnheim) ist seit einer Rechtsänderung Ende 2020 allerdings entfallen.

Pflichtteil

Ehegatten, Kinder und (in bestimmten Fällen) Eltern haben Pflichtteilsansprüche. Der Pflichtteil ist der unentziehbare Teil am Erbe; er dient dem Schutz nahestehender Personen vor vollständiger Enterbung. Er beträgt die Hälfte des gesetzlichen Erbteils; dessen Höhe wiederum hängt von den Familien- und Rechtsverhältnissen ab (vereinbarter Güterstand, Anzahl der Kinder). Daneben bestehen Pflichtteilsergänzungsansprüche: In die Pflichtteilsberechnung wird das Vermögen einbezogen, das der Verstorbene in den 10 Jahren vor seinem Tod verschenkt hat. So wird eine Umgehung des Pflichtteilsanspruchs durch Schenkungen zu Lebzeiten vermieden. Mit Gewährung eines Mini-Erbteils (keine „vollständige“ Enterbung) kann der Pflichtteil auch nicht umgangen werden: Der Pflichtteilsberechtigte kann seinen Anteil mithilfe des sog. Zusatzpflichtteils bis zur Höhe des Pflichtteils auffüllen.

Alle Pflichtteilsansprüche sind Geldansprüche. Er bezieht sich nicht nur auf einen Zuwachs, sondern auf das Gesamtvermögen – also auch auf Vermögen, das der Verstorbene selbst geschenkt bekam. Zum Ausgleich des Pflichtteilsanspruchs sind die Erben verpflichtet.

Regelmäßig werden die Pflichtteilsansprüche von Ehegatten im Ehevertrag ausgeschlossen, da sie sonst – wegen einer möglichen Wiederheirat, durch die Firmenanteile infolge weiterer Erbfälle – an Nichtfamilienmitglieder gelangen könnten.

Kinder sind hingegen seltener betroffen. Pflichtteilsverzichte sind dann zu überlegen, wenn – gleich aus welchem Grund – nicht alle Kinder Unternehmensanteile erhalten oder die Quoten sehr verschieden sind.

Pflichtteilsverzichte empfehlen sich zwischen Ehegatten auch deshalb, weil bei einem Versterben innerhalb von drei Jahren der Pflichtteil des Längerlebenden weitervererbt werden kann. Das kann erhebliche negative Auswirkungen auf eine ansonsten sorgfältige Erbschaftsteuerplanung haben; spätestens nach dem Tod des ersten Ehegatten empfiehlt sich deshalb ein solcher Verzicht.

Vorsorgevollmachten

Vorsorgevollmachten bestimmen einen Bevollmächtigten für den Fall, dass ein Gesellschafter seinen Willen nicht mehr bilden oder äußern kann. Das kommt am häufigsten im Alter in Folge Demenzerkrankungen vor. Aber auch Unfälle oder Krankheit können einen solchen Zustand herbeiführen, ggf. auch nur vorübergehend (z. B. bei künstlichem Koma).

Für diese Fälle sollte jeder Gesellschafter durch eine Vorsorgevollmacht sicherstellen, dass die Gesellschaft trotzdem weiter agieren kann. Allerdings darf nicht der Eindruck entstehen, dass jedes Unternehmen mit Ausfall eines Gesellschafters ohne Vorsorgevollmacht handlungsunfähig wird. Für den Betroffenen sind meist zahlreiche Entscheidungen in seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen zu treffen. Hierzu wird gerichtlich ein Betreuer bestellt. Im Regelfall ist dies eine Person aus dem Verwandtenkreis, die bereit ist, sich auch in gesellschaftsrechtlichen Entscheidungen positiv einzubringen. Vorsichtiger sollten alleinstehende Gesellschafter handeln: Berufsbetreuer agieren mitunter unternehmerisch sehr zurückhaltend. Der Vorteil der Vorsorgevollmacht besteht darin, dass verschiedene Personen für verschiedene Aufgabenkreise bestellt werden können; als Betreuer wird hingegen zumeist nur eine Person eingesetzt.

Testamente

Gesellschaftsvertraglich ist der Kreis der Personen, die (auch im Erbfall) Gesellschafter werden dürfen, häufig beschränkt – meist auf in gerader Linie verwandte Personen (Eltern, Kinder, Enkel) und Mitgesellschafter. Damit keine Ausgleichsansprüche unter den Erben entstehen, ist eine entsprechende Erbeinsetzung vonnöten. Diese berücksichtigt im Optimalfall sowohl Pflichtteile als auch die Verteilung des Vermögens, die gesellschaftsvertraglichen Vereinbarungen und die Erbschaftsteuer und deren Entrichtung.

Auch hier gilt: Private Entnahmen zur Befriedigung von Ausgleichsansprüchen unter Miterben

Sie sollten deshalb vermieden werden.

Hat ein Gesellschafter einen Ehevertrag abgeschlossen, der Firmenanteile vom Zugewinn ausnimmt, und darin zudem auf seinen Pflichtteil verzichtet, befürchtet der andere Ehegatte möglicherweise einen Nachteil bei seiner Versorgung im Todesfall. Für den Unternehmerehegatten empfiehlt es sich deshalb, seinen Nachlass testamentarisch so zu regeln, dass sein Partner ausreichend versorgt ist. Da jeder der Ehegatten sein Testament grundsätzlich jederzeit ändern kann, beruht diese Lösung auf Vertrauen; kein Ehegatte kann also vom anderen verlangen, sein Testament dementsprechend zu gestalten. Mit Eintritt des Erbfalls ist das Testament dann aber bindend.

Denkbar ist natürlich auch der Abschluss erbvertraglicher Regelungen zur Absicherung des verzichtenden Ehegatten. Einseitige Änderungen letztwilliger Verfügungen sind dann im Nachgang nicht mehr möglich.

Kurz und bündig…

Gerade wenn eine Ehe im Streit auseinandergeht, darf dies nicht zulasten Unbeteiligter ausgetragen werden. Aber auch die eigene Verletzbarkeit und die Auswirkungen des eigenen Todes für andere sollten nicht in Vergessenheit geraten. Ein verantwortungsbewusster, mittelständischer Unternehmer regelt seine privaten Verhältnisse deshalb so, dass das Unternehmen (und damit auch seine Arbeitsplätze) im Bestand nicht gefährdet werden.

Gerne beraten wir Sie ausführlicher!

Ihr
Oliver Stehmann

Die Bewertung von Unternehmen bei Transaktionen im Mittelstand
21. März 2022

Unternehmenstransaktionen nehmen im Mittelstand zwar stetig zu, sind aber unserer Erfahrung nach zumindest für inhabergeführte Mittelständler noch eher die Ausnahme als die Regel. Dennoch gibt es Anlass, sich mit dem Kauf oder Verkauf eines Unternehmens zu beschäftigen. So ist für manche Unternehmer ein Verkauf die einzige echte Option zur Regelung ihrer Nachfolge: zur Wahrung der Interessen in der Familie und in Übernahme der Verantwortung gegenüber den Mitarbeitern des Unternehmens. Andere verkaufen in wirtschaftlicher Notlage; so vermuten nicht wenige, dass Spätfolgen der Corona-Krise noch zu einem verstärkten Verkauf von Unternehmen führen könnten. In jedem Fall stellt sich die „Preisfrage“ früh. Jeder weiß: „Dinge sind genauso viel wert, wie jemand für sie zu zahlen bereit ist.“ Nur löst diese Aussage das Bewertungsproblem nicht. Wie würde also ein gedachter Käufer seine Preisobergrenze für ein Unternehmen (genauer: den „Marktwert des Eigenkapitals“) bemessen? Dieser Beitrag soll interessierten Unternehmern einen kleinen Überblick in die Kunst der Unternehmensbewertung geben.

Der Unternehmenswert – diskontiert oder multipliziert?

In den klassischerweise eingesetzten Ertragswertverfahren stellt man direkt auf den Marktwert des Eigenkapitals ab. Bei größeren Transaktionen werden einer Unternehmensbewertung ausführliche Planungen zugrunde gelegt und mit allen Daten aus Vergangenheit und Gegenwart über das Unternehmen und sein wirtschaftliches Umfeld plausibilisiert. In kleineren Einheiten stellt dies bereits die erste Herausforderung dar: eine solche Unternehmensplanung existiert häufig nicht. Hier wird vielfach versucht, den Zukunftsertrag aus den Jahresergebnissen der Vergangenheit abzuleiten. Doch an dieser Stelle ist besondere Vorsicht geboten, denn das Vergangene ist nicht immer aussagekräftig für die zukünftige Entwicklung.

Die zukünftig prognostizierten Erträge werden risikoadäquat diskontiert, weil sie nicht sofort, sondern über einen langen Zeitraum zufließen. Je länger der Ertrag in der Zukunft liegt, desto höher der Effekt der Abzinsung. Je risikoärmer das Unternehmen, desto niedriger ist der Zinssatz und desto höher der Unternehmenswert.

In der Kapitalisierung liegt die zweite Herausforderung der Unternehmensbewertung auf Basis eines Ertragswertverfahrens, denn die Frage nach der Höhe des risikoadäquaten Abzinsungssatzes lässt sich nicht ohne Weiteres beantworten. In der klassischen Unternehmensbewertung wird der Zinssatz anhand des allgemeinen Zinsniveau ermittelt (Addition des sog. Basiszinssatzes und der sog. Marktrisikoprämie). Mit dem sog. Betafaktor wird dieser Zinssatz angepasst auf die Marktsituation des Unternehmens (anhand von börsennotierten Vergleichsunternehmen) und den individuellen Verschuldungsgrad des Unternehmens. Gerade für mittelständische Unternehmen ist die Ermittlung geeigneter börsennotierter Vergleichsunternehmen oft schwierig. Verständlicherweise wird an dieser Stelle in der Praxis versucht, die Berechnung mit folgenden Maßnahmen zu vereinfachen:

Unternehmern sind solche Vereinfachungen ggf. aus dem Erbschaftsteuerrecht bekannt.

Neben der klassischen Unternehmensbewertung hat sich ein weiteres Verfahren etabliert, das die Bewertung stark vereinfacht und uns in der Praxis regelmäßig beschäftigt: das Multiplikatorverfahren. Im Gegensatz zu den DCF-Verfahren basieren Multiplikatorverfahren nicht auf der Abzinsung künftiger Zahlungsströme, sondern orientieren sich an den auf dem Markt tatsächlich gezahlten Preisen für zumindest annähernd vergleichbare Unternehmen. Die sachgerechte Auswahl dieser Vergleichsunternehmen und damit die Ermittlung des sachgerechten Vervielfältigers (Multiple) stellt hier die zentrale Herausforderung dar. In der Praxis wird oft das EBIT (Earnings Before Interest & Taxes = Ergebnis vor Steuern und Zinsen) als Bezugsgröße verwendet. So wird zunächst der Gesamtwert des Unternehmens ermittelt, von dem die tatsächlich übernommenen (zinstragenden) Schulden abgezogen werden, um zum Marktwert des Eigenkapitals zu gelangen.

Stolperfallen

Neben der Wertermittlung lohnt stets ein tieferer Blick in das Unternehmen. Ist tatsächlich alles Vermögen im Unternehmen (betriebs-)notwendig, um den Jahresertrag/EBIT zu erzielen? Gerade bei langjährig thesaurierenden Mittelständlern hat sich häufig ein beachtliches Eigenkapital angesammelt, das nicht selten über dem Ertragswert liegt. Hier gilt es zu fragen, ob nicht betriebsnotwendiges Vermögen ausgeschüttet bzw. entnommen werden sollte.

Die Frage nach dem betriebsnotwendigen Vermögen ist außerdem zentral bei der Anwendung sog. Debt-and-Cash-Free-Klauseln, bei denen sich der finale Kaufpreis durch den Kassen- und Bankbestand zum Übertragungsstichtag erhöht, sowie um die (zins-)tragenden Verbindlichkeiten verringert. So kann es z. B. plötzlich vom Zahlungszeitpunkt der Kunden (also vom Zufall) abhängen, wie hoch der Kaufpreis im Endeffekt ausfällt.

Stolperfallen bietet auch die GmbH & Co. KG. Hier dürfen die häufig existierenden Gesellschafterdarlehen nicht unberücksichtigt bleiben. Und auch sonstiges steuerliches Sonderbetriebsvermögen (z. B. Immobilien), das mitverkauft wird, muss im Unternehmenswert berücksichtigt werden. Schließlich muss bei Betriebsaufspaltungen beachtet werden, ob die Unternehmensbewertung in sich konsistent ist, insbesondere wenn Immobilien nach einem Immobilienbewertungsverfahren bewertet sind.

Fazit

Ein Unternehmen ist ein komplexes Gebilde. Auch wenn der Verkauf mitunter juristisch ein einfacher Vorgang sein mag, so ist es die Wertermittlung noch lange nicht. Vor der Suche nach einem Käufer genauso wie vor der Abgabe eines Angebots gilt es deshalb einen begründeten Unternehmenswert zu ermitteln und alles Wesentliche im Blick zu behalten.

Ihr
Dr. Ralph Czwalinna & Oliver Stehmann

Nicht verpassen: Transparenzregister – Generelle Eintragungspflicht für Unternehmen in 2022
14. März 2022

Zum 1. Oktober 2017 wurde das sog. Transparenzregister zur Bekämpfung von Geldwäsche im Euroraum eingeführt. Im Transparenzregister wird offengelegt, welche natürlichen Personen Einfluss auf die Geschicke von Unternehmen haben. Solche „wirtschaftlich Berechtigte“ sind natürliche Personen, die mehr als 25 % des Kapitals oder der Stimmen eines Unternehmens kontrollieren. Zum 1. August 2021 wurde die Rechtslage verschärft. Unternehmen müssen in 2022 reagieren.

Bis ins vergangene Jahr waren die Mitteilungspflichten zum Transparenzregister begrenzt. Waren die Angaben zu den wirtschaftlich Berechtigten aus anderen Registern, insbesondere dem Handelsregister, ersichtlich, war keine Mitteilung der wirtschaftlich Berechtigten zum Transparenzregister notwendig.

Das hat sich zum 1. August 2021 geändert. Das Transparenzregister ist seitdem zum sog. Vollregister erhoben werden. Seitdem müssen für alle Gesellschaften (ausgenommen GbR), selbst für Einpersonen-Gesellschaften, Mitteilungen zum Transparenzregister erfolgen.

Für die Umsetzung hat der Gesetzgeber verschiedene Fristen gesetzt.

Aktiengesellschaften müsse die Mitteilung bis zum 31. März 2022, GmbHs bis zum 30. Juni 2022 und sonstige Gesellschaften (z. B. GmbH & Co KG) bis zum 31. Dezember 2022 vornehmen. Die Mitteilung muss Namen, Geburtsdaten, Wohnort und Art und Umfang des wirtschaftlichen Interesses enthalten. Mitgeteilt werden müssen auch alle Veränderungen seit dem 1. Oktober 2017.

Die Mitteilungspflicht bleibt künftig erhalten. Alle Veränderungen (auch z. B. hinsichtlich eines Wohnsitzes) müssen unverzüglich mitgeteilt werden.

Haben sich seit dem 1. August 2021 Änderungen im Gesellschafterbestand ergeben, muss die Mitteilung zum Transparenzregister unverzüglich erfolgen.

Grundsätzlich gilt eine unverzügliche Mitteilungspflicht. Frist für die Mitteilung sind nicht vorgesehen.

Da das Transparenzregister der Aufklärung von Straftaten dienen soll, können bei Nicht- oder Falschmeldungen empfindliche Geldbußen festgesetzt werden. Zudem funktioniert das Register nach dem Prinzip „name and shame“: Falsche oder unterlassene Mitteilungen führen nicht nur zur Geldbuße; dass ein Bußgeld gegen eine Gesellschaft festgesetzt wurde, wird sogar auf der Homepage des Bundesverwaltungsamts veröffentlicht. Auszüge, die inzwischen jedermann anfordern kann, enthalten ebenfalls Hinweise auf Verstöße.

Unsere Tätigkeit für Sie

Bei der erstmaligen Mitteilung sind wir unseren Mandanten gern behilflich. Ebenso haben wir es im Blick, wenn durch unsere Gestaltungsberatung Änderungen der Mitteilungen zum Transparenzregister erforderlich werden.

Ihr
Oliver Stehmann

Grundsteuerreform 2022
6. März 2022

Die Grundsteuer betrifft jeden Immobilieneigentümer in Deutschland. Die alten Regelungen zur Grundsteuer wurden 2018 für verfassungswidrig erklärt. Die zugrunde gelegten Werte hatten mit der Realität nichts mehr zu tun. Das liegt daran, dass das Verfahren nie so durchgeführt wurde, wie vom Gesetzgeber erdacht. Alles mit dem neuen Grundsteuergesetz besser werden. Doch bereits jetzt ist klar: Es ist dem Föderalismus zum Opfer gefallen, denn mindestens sechs von 16 Ländern kochen ihr eigenes Süppchen. Auf Bürger, Finanzverwaltung und Steuerberater kommt ein kaum zu bewältigender Berg Arbeit zu, denn alle knapp 36 Millionen Grundstücke in Deutschland müssen neu bewertet werden. Für die Abgabe der Steuererklärungen haben die Bürger vier Monate Zeit; die Finanzverwaltung zur Bearbeitung ca. 2,5 Jahre. Ab dem 1. Januar 2024 wird die neue Grundsteuer erhoben. Ein Überblick über die Regelungen für Hessen und Nordrhein-Westfalen.

Die Werte aller Grundstücke werden in der sog. „Hauptfeststellung“ deutschlandweit turnusmäßig ermittelt. Das gab es auch nach dem bisherigen Recht schon: Die erste Hauptfeststellung erfolgte im Jahr 1935. Durch den Krieg verzögerte sich die nächste Hauptfeststellung. Sie fand erst im Jahr 1964 statt und auch nur auf dem Gebiet der damaligen Bundesrepublik. Das Hauptfeststellungsverfahren entpuppte allerdings als extrem aufwendig. Weitere Feststellungen erfolgten nicht mehr. Somit werden also Werte/Ermittlungsmethoden des Jahres 1964 in den alten und des Jahres 1935 in den neuen Bundesländern für die Bewertung zugrunde gelegt.

Nunmehr soll die Hauptfeststellung alle sieben (statt sechs) Jahre durchgeführt werden. Man erhoffte sich seitens des Gesetzgebers, dass das in Zeiten der Digitalisierung stemmbar ist. Deshalb müssen auch alle Erklärungen digital eingereicht werden.

Neuregelung: Das Bundesmodell
(Anwendung in Nordrhein-Westfalen)

Das Bundesmodell ist an die erbschaft- und schenkungsteuerlichen Bewertungen angelehnt worden. Diese sind teilweise noch etwas vereinfacht worden. Für eine Bewertung werden aber noch immer realtiv viele Daten benötigt.

Unbebaute Grundstücke

Das Bundesmodell unterscheidet zunächst zwischen bebauten und unbebauten Grundstücken.

Unbebaute Grundstücke werden durch Multiplikation ihrer Fläche mit dem Bodenrichtwert bewertet.

Bebaute Grundstücke

Bebaute Grundstücke werden nach ihrer Bebauung unterschieden.

Das Ertragswertverfahren

Im Ertragswertverfahren werden Einfamilienhäuser, Zweifamilienhäuser, Mietwohngrundstücke (das sind zu mindestens 80 % zu Wohnzwecken vermietete Immobilien, die nicht Ein- oder Zweifamilienhäuser sind) und Wohnungseigentum bewertet.

Vereinfacht ausgedrückt, wird die erzielbare Miete abzüglich pauschaler Kosten mit der (abgezinsten) Restnutzungsdauer des Gebäudes multipliziert. Der Bodenwert (Grundstücksfläche x Bodenrichtwert) wird hinzuaddiert.

Was zunächst einfach klingt, entpuppt sich in einer Vielzahl von Fällen als aufwendig:

Das Sachwertverfahren

Im Sachwertverfahren werden die übrigen bebauten Grundstücke bewertet, also z. B. Geschäftsgrundstücke und gemischt genutzte Grundstücke.

Zur Ermittlung des Sachwerts werden die ursprünglichen Herstellungskosten (abhängig von Objektart und Baujahr) mit der sog. Bruttogrundfläche – das ist (vereinfacht ausgedrückt) die Fläche aller Geschosse ohne Wände – multipliziert. Von diesen Herstellungskosten wird ein Alterswertabschlag (linear im Verhältnis zwischen Gesamtnutzungsdauer des Gebäudes und Restnutzungsdauer) abgezogen und schließlich der Bodenwert des Grundstücks (Fläche x Bodenrichtwert) hinzuaddiert.

Schwierigkeiten bestehen auch hier bei An- und Umbaumaßnahmen oder Kernsanierungen, da dies Auswirkung auf Baujahr oder die Restnutzungsdauer haben kann.

Nach der Ermittlung des Grundstückswerts

Ist der Grundstückswert ermittelt, wird er mit der Steuermesszahl multipliziert. Das ergibt den Steuermessbetrag. Der Steuermessbetrag wird mit dem Hebesatz der Gemeinde multipliziert. Das ergibt die jährliche Grundsteuer. Da die Hebesätze der Gemeinde noch nicht festgelegt ist, kann die künftige Grundsteuer derzeit noch nicht ermittelt werden.

Neuregelung: Hessisches Flächen-Faktor-Modell

Die hessische Regelung ist kommt mit weniger Datensätzen als das Bundesmodell aus. Ermittelt wird hier nicht der Grundstückswert, sondern direkt der Steuermessbetrag, also der Wert, der mit dem Hebesatz der Gemeinde multipliziert wird, um die jährliche Grundsteuer zu berechnen.

Dafür wird der Bodenwert (Grundstücksfläche x Bodenrichtwert) mit dem Faktor 0,04 multipliziert, um den „Messbetrag des Bodens“ zu ermitteln. Zu diesem wird der „Messbetrag des Gebäudes“ hinzuaddiert. Dieser errechnet sich aus der Wohnfläche, multipliziert mit 0,50 EUR/m2. Dieser Wert für Wohngebäude noch einmal um 30% reduziert. Die Summe aus „Boden- und Gebäudemessbetrag“ wird dann noch um einen Lagefaktor korrigiert: der Lagefaktor errechnet sich aus dem konkreten Bodenrichtwert des Grundstücks zum durchschnittlichen Bodenrichtwert der Gemeinde.

Die Schwierigkeiten des hessischen Modells werden, da es keiner bislang bekannten steuerlichen Bewertungspraxis folgt, sich in der Umsetzung herauskristallisieren. die großen Problematiken des Bundesmodells (unterschiedliche Baujahre, Kernsanierungen oder die Ermittlung der Bruttogrundfläche) sind hier nicht relevant. Praxisprobleme dürften sich vermutlich im Bereich der Bodenwertermittlung (z. B. bei verschiedenen Richtwertzonen innerhalb eines Grundstücks) und in der Ermittlung der Wohnnutzung ergeben.

Unsere Tätigkeit für Sie

Wir unterstützen unsere Mandanten wie gewohnt in der Steuerdeklaration. Hierzu werden wir eine digitale Schnittstelle anbieten und unsere Mandanten kontaktieren, sobald diese zur Verfügung steht.

Ihr

Oliver Stehmann

Körperschaftsteuer – Eine Option für Personengesellschaften?
1. März 2022

Der Gesetzgeber hat Personengesellschaften im Jahr 2021 das Recht eingeräumt, zur Körperschaftsteuer zu optieren. Was zunächst reizvoll erscheint, stellt sich bei näherem Hinsehen als problematisch dar. In der Praxis ist die Option zur Körperschaftsteuer deshalb ein Ladenhüter geblieben.

Es klingt verlockend: Ohne den Gang zum Notar zur Durchführung eines Formwechsels soll die Personengesellschaft zur Körperschaftsteuer optieren können. So erfolgt die Besteuerung nicht mehr unter dem Einkommensteuerregime, sondern wie in der Kapitalgesellschaft zweistufig nach dem Regime der Körperschaftsteuer: Bleiben die Gewinne im Unternehmen werden sie mit nur rd. 15 % Körperschaftsteuer und (je nach Hebesatz der Kommune rd.) 15 % Gewerbesteuer besteuert. Erst wenn die Gesellschaft die Gewinne an ihre Gesellschafter auszahlt, wird die zweite Stufe der Besteuerung auf die „Ausschüttung“ angewendet (Abgeltungsteuer oder Teileinkünfteverfahren). Die Flexibilität der Personengesellschaft soll so mit der körperschaftsteuerlichen Thesaurierungsbegünstigung kombiniert werden. Die für die Personengesellschaften schon seit einiger Zeit mögliche, aber im Detail sehr komplexe Thesaurierungsbegünstigung nach § 34 a EStG würde obsolet.

Zugegeben: Den Gang zum Notar bleibt erspart. Der Gesetzgeber hat die Option zur Körperschaftsteuer aber ausgestaltet wie einen (fiktiven) Formwechsel nach dem Umwandlungssteuergesetz. Daher müssen alle dort erforderlichen Formalien beachtet werden; anderenfalls erfolgt die Option zur Körperschaftsteuer nicht zum Buchwert, sondern werden zunächst alle stillen Reserven aufgedeckt, mit dem (hohen) Steuersatz nach dem Einkommensteuergesetz besteuert und erst im Anschluss greift das Regime der Körperschaftsteuer. Das bringt im Ergebnis zahlreiche Probleme mit sich.

Festzuhalten bleibt nach alledem, dass die Option zur Körperschaftsteuer sich als unpraktikabel herausgestellt hat und deshalb in der Praxis – soweit ersichtlich – so gut wie nicht angewendet wird.

Gern beraten wir Sie in Fragen Ihrer rechtlichen und steuerlichen Struktur!

Ihr
Oliver Stehmann

Zweites Corona-Steuerhilfegesetz (Umsetzung des Konjunkturprogramms)
2. Juli 2020

Als Teil des Konjunkturpakets hat das Parlament am 29. Juni 2020 das Zweite Corona-Steuerhilfegesetz verabschiedet; hierdurch werden einige steuerliche Vorschriften angepasst, was finanzielle Hilfen für die Steuerpflichtigen bedeuten soll.

Auch im Privatbereich wird unterstützt: Eltern erhalten einmalig 300 Euro pro Kind. Für Alleinerziehende werden die Freibeträge verdoppelt.

 

Fragen zur befristeten Senkung der Umsatzsteuersätze
1. Juli 2020

Mit den Maßnahmen des Zweiten Corona-Steuerhilfegesetzes soll die Wirtschaft schnell wieder in Schwung kommen. Im Fokus steht dabei die zeitlich befristete Senkung der Umsatzsteuersätze. Da diese bereits ab dem 1.7.2020 gelten, ist eine schnelle Umsetzung erforderlich. Nachfolgend haben wir einige wichtige Informationen zusammengestellt.

Der Umsatzsteuersatz wird für die Zeit vom 1.7. bis zum 31.12.2020 gesenkt: Der reguläre Steuersatz beträgt dann nicht 19 %, sondern 16 %. Der ermäßigte Steuersatz (gilt z. B. für viele Lebensmittel) beträgt 5 % (bisher 7 %).

Die Abgabe von Speisen zum Verzehr an Ort und Stelle unterliegt grundsätzlich dem regulären Umsatzsteuersatz. Für nach dem 30.6.2020 und vor dem 1.7.2021 erbrachte Restaurant- und Verpflegungsdienstleistungen (Getränke sind ausgenommen) erfolgte bereits durch das (Erste) Corona-Steuerhilfegesetz eine Reduzierung auf den ermäßigten Steuersatz.

Die Senkung der Steuersätze hat zur Folge, dass Unternehmer – sofern noch nicht geschehen – schnellstens Anpassungen bei den Verbuchungs- und Kassensystemen vornehmen müssen.

Aber nicht nur die kurzfristige Umsetzung der Steuersatzsenkung bereitet vielen Unternehmen eine größere Aufgabe. So gibt es auch zahlreiche Abgrenzungsfragen, auf die das Bundesfinanzministerium in einem begleitenden Schreiben vom 30. Juni 2020 nun final eingegangen (externer Link) ist.

Anwendungsbeginn

Die neuen Steuersätze sind auf Lieferungen, sonstige Leistungen und innergemeinschaftliche Erwerbe anzuwenden, die zwischen dem 1.7. und dem 31.12.2020 bewirkt werden. Maßgebend ist der Zeitpunkt, in dem der jeweilige Umsatz ausgeführt wird. Auf den Zeitpunkt der vertraglichen Vereinbarung kommt es ebenso wenig an wie auf den Zeitpunkt der Rechnungserteilung.

Preisauszeichnung

Die Senkung der Steuersätze erfordert nicht nur Anpassungen/Änderungen bei den Verbuchungs- und Kassensystemen. Zu denken ist auch an die aufwendige korrekte Neu-Auszeichnung der Waren (vor allem im Einzelhandel). Hier hat das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie nun mit Schreiben vom 10.6.2020 einen Lösungsweg über Pauschalrabatte aufgezeigt. Danach können die Händler und Anbieter von Dienstleistungen für die vorübergehende Senkung der Umsatzsteuer von der bestehenden Ausnahmemöglichkeit des § 9 Abs. 2 PAngV (Preisangabenverordnung) Gebrauch machen und pauschale Rabatte an der Kasse gewähren, ohne die Preisauszeichnung aller Artikel ändern zu müssen.

Bitte beachten Sie: Die Möglichkeit nach § 9 Abs. 2 PAngV kann für preisgebundene Artikel (wie Bücher, Zeitschriften, Zeitungen und rezeptpflichtige Arzneimittel) nicht angewendet werden.

Dauerleistungen bzw. Teilleistungen

Bei den Dauerleistungen kann es sich sowohl um sonstige Leistungen (z. B. Vermietungen) als auch um die Gesamtheit mehrerer Lieferungen (z. B. von Baumaterial) handeln. Für Dauerleistungen werden unterschiedliche Zeiträume (z. B. ½ Jahr oder 5 Jahre) oder keine zeitliche Begrenzung vereinbart.

Dauerleistungen werden bei einer sonstigen Leistung an dem Tag ausgeführt, an dem der vereinbarte Leistungszeitraum endet – bei wiederkehrenden Lieferungen (ausgenommen Lieferungen von elektrischem Strom, Gas, Wärme und Wasser) am Tag jeder einzelnen Lieferung.

Für umsatzsteuerpflichtige Dauerleistungen, die vor dem 1.7.2020 erbracht wurden, gilt der Steuersatz von 19 % bzw. 7 %. Zwischen dem 1.7. und dem 31.12.2020 ausgeführte Dauerleistungen sind mit 16 % bzw. 5 % zu besteuern.

Beispiel
In einem Mietvertrag über zwei Jahre wurde eine monatliche Zahlung vereinbart. Soweit die monatlichen Teilleistungen auf den 1.7. bis 31.12.2020 entfallen, beträgt der Steuersatz 16 %.

Sind Verträge über Dauerleistungen als Rechnung anzusehen, ist ggf. eine Ergänzung notwendig. Dies ist vor allem dann der Fall, wenn in den Verträgen der konkrete Steuersatz
(19 % oder 7 %) genannt ist, und nicht nur die gesetzlich geschuldete Umsatzsteuer.

Anzahlungen

Hat ein Unternehmer Anzahlungen erhalten, sind mehrere Fälle zu unterscheiden. Hinzuweisen ist insbesondere auf Folgendes: Wurden vor dem 1.7.2020 Anzahlungen für Leistungen vereinnahmt, die zwischen dem 1.7. und dem 31.12.2020 erbracht werden, galt für diese Anzahlungen der Steuersatz von 19 % bzw. 7 %. In der Schlussrechnung ist die Umsatzsteuer zu korrigieren.

Gutscheine

Bei der Erstattung von Gutscheinen weist das Bundesfinanzministerium in seinem Entwurfsschreiben auf folgende Vereinfachungsmöglichkeit hin: Erstattet der Unternehmer die von ihm ausgegebenen Gutscheine vom 1.7. bis zum 31.8.2020, ist die Umsatzsteuer – soweit die Umsätze dem allgemeinen Steuersatz unterliegen – nach dem bis zum 30.6.2020 geltenden Steuersatz von 19 % zu berichtigen. Bei einer Erstattung nach dem 31.8.2020 ist die Umsatzsteuer nach dem ab 1.7.2020 geltenden Steuersatz von 16 % zu berichtigen.

Bitte beachten Sie: Bei einem Einzweck-Gutschein entsteht die Umsatzsteuer bereits mit seiner Ausgabe. Somit ist hier der Steuersatz im Zeitpunkt der Ausgabe maßgebend. Die Differenzierung zwischen Einzweck- und Mehrzweckgutschein ist also weiter aktuell.

Versehentliche Anwendung des alten (falschen) Steuersatzes

Wird die Umsatzsteuer zu hoch (z. B. 19 % anstatt 16 %) ausgewiesen, schuldet der Unternehmer neben der gesetzlich geschuldeten Steuer (16 %) auch den erhöht ausgewiesenen Steuerbetrag (3 %) gegenüber dem Finanzamt.

Konjunkturprogramm
4. Juni 2020

Die Bundesregierung plant ein Konjunkturprogramm, um „mit Wumms aus der Krise“ (Olaf Scholz) zu kommen. Dieses Konjunkturprogramm soll folgende für Unternehmen wichtige Punkte umfassen:

Auch im Privatbereich soll unterstützt werden: Eltern erhalten einmalig 300 Euro pro Kind. Für Alleinerziehende werden die Freibeträge verdoppelt.

Das Konjunkturpaket bedarf gesetzlicher Änderungen. Diese werden dann voraussichtlich im Laufe des Juni umgesetzt.