Die Wahl der richtigen Rechtsform
11. Oktober 2016

Die Wahl der optimalen Rechtsform ist von einer Vielzahl von Faktoren abhängig. Beinahe selbstverständlich für Unternehmer ist die Absicherung des eigenen Vermögens durch die Nutzung einer haftungsbeschränkten Gesellschaft. Haftungsbeschränkte Gesellschaften gibt es in vielen Ausgestaltungen. Aufgrund der zahlreichen Gestaltungsmöglichkeiten können diese Rechtsformen zudem einander stark angenähert werden. Dennoch verbleiben Unterschiede.

Die nachfolgenden Ausführungen geben einen Überblick über die zwischen den Rechtsformen nicht durch Satzungsgestaltung zu beseitigenden Unterschiede. Sie zeigen zudem auf, welche Vor- und Nachteile die einzelnen Rechtsformen in organisatorischer und steuerlicher Hinsicht bieten und wie stark eine Rechtsform den individuellen Bedürfnissen angepasst werden kann. Der Überblick erfasst die wesentlichen haftungsbeschränkten Personen- (GmbH & Co. KG) und Kapitalgesellschaften (GmbH, AG, GmbH & Co. KGaA sowie die SE).

Organisation (Gesellschaftsrecht)

Wesentliche Unterschiede zwischen den Gesellschaftsformen bestehen in der Ausgestaltung ihrer Organisation.

Die GmbH & Co. KG bietet grds. den größten rechtlichen Gestaltungsspielraum. Von beinahe allen gesetzlichen Regelungen kann durch Gesellschaftsvertrag abgewichen und die Organisationsstruktur frei vereinbart werden. Hiervon ausgenommen sind aber zwei Bereiche:

Die GmbH & Co. KG erlaubt ferner die für Familien wichtigen, flexiblen Regelungen zur Nachfolge, weil der Gesellschafterkreis gut beschränkt werden kann.

Die Satzung der GmbH kann ebenfalls weit von den gesetzlichen Bestimmungen abweichen. Die Grenzen sind jedoch enger als bei der GmbH & Co. KG. Unzulässig ist die Übertragung solcher Aufgaben auf einen Aufsichtsrat (oder sonstiges Organ), die zwingend der Gesellschafterversammlung oder der Geschäftsführung vorbehalten sind. Dazu gehören:

Die GmbH ist überdies wesentlich formaler als die GmbH & Co. KG; insbesondere muss die Satzung notariell beurkundet werden und sind Änderungen ebenfalls beurkundungspflichtig.

Während bei den oben genannten Gesellschaften die Vertragsfreiheit dominiert, gilt für die Aktiengesellschaft (AG) die sog. Satzungsstrenge. Eine Abweichung von den (sehr umfassenden) Regelungen des Aktiengesetzes ist nur zulässig, soweit das Gesetz dies erlaubt. Ein Verwaltungsrat/Board kann in der AG aufgrund des zwingenden dualistischen Systems (Geschäftsführung durch den Vorstand; Kontrolle des Vorstands durch den Aufsichtsrat) nicht umgesetzt werden. Das wirkt sich auch auf die Position der Gesellschafter (Aktionäre) aus: Der Vorstand ist Weisungen der Aktionäre nicht unterworfen. Das kann vor allem bei zerstrittenen Gesellschaftern vorteilhaft sein, da ein Handeln des Vorstands immer auf das Wohl des Unternehmens und nicht auf die Befriedigung von Gesellschafterinteressen gerichtet ist. Die Aktionäre sind dagegen nur zuständig für Satzungsänderung, Kapitalbeschaffung und Auflösung der AG.

Die Vorteile der AG ergeben sich aus der Stückelung des Gesellschaftskapitals in Aktien und deren Übertragbarkeit. Die Kapitalbeschaffung über Aktien­emission am Kapitalmarkt ist für Familiengesellschaften wegen Verwässerung der eigenen Aktienquote selten interessant; insbesondere gelten nur für nichtbörsennotierte („kleine“) AGs zahlreiche formale Erleichterungen (z. B. weniger Beurkundungspflichten, weniger Einladungsformalien, weniger Publizitätspflichten). Für Familiengesellschaften bietet sich eine AG jedoch ggf. aus dem Aspekt der Mitarbeiterbeteiligung an, da die Aktien relativ leicht übertragen werden können, weil kein Beurkundungserfordernis besteht.

Die Beschränkung des Aktionärskreises auf Familienmitglieder ist in der AG nur über das komplexe Verfahren zu Einziehung von Aktien möglich.

Die GmbH & Co. KGaA stellt zwar eine Mischform aus Personen- und Kapitalgesellschaft dar, ist aber durch den Einsatz einer GmbH als Komplementär letztlich beinahe reine Kapitalgesellschaft. Das Recht der KGaA verweist sowohl auf das Aktienrecht als auch auf das Recht der Personengesellschaften. Zahlreiche Rechtsfragen sind aufgrund der geringen Bedeutung der Rechtsform ungeklärt. Es besteht jedenfalls keine Satzungsstrenge wie bei der AG. Unklar ist, ob Satzungsänderungen ganz oder nur teilweise (hinsichtlich des aktienrechtlichen Teils) beurkundungsbedürftig sind. Zur Sicherheit empfiehlt sich deshalb stets die notarielle Beurkundung.

Aufgrund der persönlichen Haftung sind – wie bei der GmbH & Co. KG – zahlreiche Geschäfte nicht ohne Zustimmung bzw. gegen den Willen des Komplementärs möglich. Das macht die KGaA zur guten Alternative für börsennotierte Familiengesellschaften: Sichert die Familie ihren Einfluss auf den Komplementär (z. B. über eine der Familie gehörige Komplementär-GmbH), können Aktien am Kapitalmarkt ausgegeben werden, ohne dass der Einfluss der Familie – anders als bei der AG – wegen Verwässerung der Aktienquote darunter leidet. Die KGaA kann also übernahmeresistent ausgestaltet werden. Im Übrigen gelten die Ausführungen zur AG.

Die Societas Europaea (SE) ist in weiten Bereichen mit der AG vergleichbar. Ihr Vorteil besteht vor allem in der Anerkennung in allen europäischen Staaten. Vereinfacht werden sollen so:

Jede Gründung einer SE setzt einen Mehrstaatenbezug voraus und ist nur sehr eingeschränkt zulässig; zur Umgehung der Formalien werden teilweise  auf Vorrat gegründete SE zunächst erworben.

Die SE erlaubt als einzige Gesellschaft neben dem dualistischen System (Vorstand führt die Geschäfte, Aufsichtsrat kontrolliert den Vorstand) ein echtes monistisches System. In diesem System überwacht ein Verwaltungsrat die Geschäfte, die er geschäftsführenden Direktoren übergibt. Weil diese gleichzeitig (bis zur Hälfte dessen Stärke) Verwaltungsratsmitglieder sein dürfen, werden Geschäftsführungs- und Aufsichtsebene hier vereint.

Wegen zahlreicher konkurrierender Vorschriften (SE-VO, SE-AG, AktG) und der jungen Rechtsform sind zahlreiche Formalien und Gestaltungsmöglichkeiten noch ungeklärt. Zur Sicherheit empfiehlt sich auch bei fehlender Börsennotierung die Einhaltung der Vorschriften für börsennotierte AGs.

Alle vorstehenden Rechtsformen können nach dem Umwandlungsgesetz umgewandelt werden.

Rechnungslegung und Gewinnverwendung

Für die AG, die KGaA und die SE bestehen besondere Gliederungsvorschriften für den Ausweis des Eigenkapitals in der Bilanz sowie die Einstellung in Rücklagen in GuV/Anhang. Für die KGaA müssen zudem auch Angaben zu den Kapitalanteilen der Komplementäre gemacht werden.

In den vorgenannten Gesellschaften müssen zudem jährliche Zwangsrücklagen in Höhe von 5 % des Jahresüberschusses und bis zur Erreichung von 10 % des Grundkapitals gebildet werden.

Steuerbelastung

Lange Zeit waren unterschiedliche Steuerbelastungen in den verschiedenen Rechtsformen ausschlaggebend für die Wahl einer bestimmten Rechtsform. Die GmbH & Co. KG bot Vorteile in der Erbschaft- und Schenkungsteuer. Bei der Einkommensbesteuerung boten hingegen die Kapitalgesellschaften Vorteile, da die (zwangs-)thesaurierten Gewinne günstig besteuert wurden. Diese Unterschiede sind in den letzten Jahren nivelliert worden. Der Gesetzgeber hat insbesondere auch für Personengesellschaften eine Begünstigung thesaurierter Gewinne geschaffen. Diese unterscheidet sich nur in der sofortigen Nachversteuerung bei Überentnahmen und in der Abwicklung von den Kapitalgesellschaften: dort werden Gewinne automatisch thesauriert und entsprechend günstig besteuert (15 % KSt + ca. 14 % GewSt); in der GmbH & Co. KG setzt die günstige Besteuerung (28,25 % ESt) einen Antrag voraus.

Häufig wird derzeit für die Vorteilhaftigkeit einer reinen Kapitalgesellschaftsstruktur in Konzernen § 8 b KStG ins Feld geführt. Danach können Gewinnausschüttungen einer Kapitalgesellschaft an ihre Mutterkapitalgesellschaft dort (beinahe) steuerfrei vereinnahmt werden; lediglich 5 % der Gewinnausschüttung werden der Körperschaftsteuer unterworfen. Solange Gewinne im Unternehmen thesauriert werden, ist jedoch die GmbH & Co. KG auch hier wegen der Möglichkeit der Thesaurierungsbegünstigung nicht mehr benachteiligt.

Soll der Gewinn den Anteilseigner erreichen, gilt vereinfacht (ohne SolZ und KiSt):

Infolge der Transparenz werden – soweit der Gesellschafter Eigenkapital gebracht hat – Verluste der GmbH & Co. KG – anders als bei Kapitalgesellschaften – mit Einkünften der Gesellschafter aus anderen Einkunftsarten ausgeglichen.

Fazit: Es bestehen nur marginale Unterschiede. Bei geringen Gewinnen und bei zu erwartenden Verlusten ist die Personengesellschaft günstiger.

Steuerliche Besonderheiten

Steuerliche Besonderheiten sollten bei der Wahl der Rechtsform dagegen berücksichtigt werden.

Zwischen den Vermögen der Kapitalgesellschaften und ihren Gesellschaftern besteht steuerlich eine klare Trennung. Daraus folgt:

Die Personengesellschaft ist im Gegensatz zu den Kapitalgesellschaften steuerlich transparent. Trotz rechtlicher Trennung des Vermögens der Gesellschafter vom Vermögen der Gesellschaft besteht diese Trennung steuerlich nur eingeschränkt.

Die Gestaltungsmöglichkeiten in der Personengesellschaft sind also größer und die damit verbundenen Risiken geringer als in der Kapitalgesellschaft.

Arbeitsrecht

Aus der Rechtsform können kollektivarbeitsrechtliche Verpflichtungen erwachsen. So können die Gesellschaften selbst bei Erreichen der Größenkriterien dem Drittelbeteiligungsgesetz und dem Mitbestimmungsgesetz unterliegen. Mit Ausnahme der SE können Kapitalgesellschaften zudem beim Bestehen von Beherrschungsverträgen (reine Ergebnisabführung reicht nicht) zu einer Zusammenrechnung der Arbeitnehmer von Tochtergesellschaften führen.

Die SE dagegen ist nicht mitbestimmt; das gilt aber nur, soweit bei Gründung keine Mitbestimmung gegeben war, denn eine „Flucht aus der Mitbestimmung“ soll nicht ermöglicht werden.

Publizität/Kosten

Die Satzungen der Gesellschaft und teilweise auch die Beschlüsse werden bei Kapitalgesellschaften im Handelsregister veröffentlicht. Die elektronische Offenlegung der Jahresabschlüsse trifft alle haftungsbeschränkten Gesellschaften.

Aufgrund vieler Beurkundungserfordernisse sind Kapitalgesellschaften im Regelfall im Tagesgeschäft deutlich kostenintensiver als die GmbH & Co. KG.

Kurz und bündig…

GmbH & Co. KG:

„Als Holding wegen geringer Formalien, großer Vertragsfreiheit und vielen Umstrukturierungsmöglichkeiten gern gewählt.“

GmbH:

„Einfache Strukturen und steuergünstige Gewinnthesaurierung, wenn keine Ausschüttung beschlossen wird. Gut als Tochtergesellschaft im Konzern.“

AG:

„Für Familienunternehmen in Streitsituationen oder bei fehlender Nachfolge auf Geschäftsleitungsebene sowie für wesentliche Mitarbeiterbeteiligung zu bevorzugen. Formalien müssen in Kauf genommen werden.“

KGaA:

„Bei wesentlicher Mitarbeiterbeteiligung oder für Kapitalbeschaffung über Aktienemissionen an der Börse bei gleichzeitiger Sicherung des Familieneinflusses das Mittel der Wahl.“

SE:

„Für einheitliche Strukturen über innereuropäische Grenzen hinweg.“

Gerne beraten wir Sie ausführlicher!

Ihr

Oliver Stehmann