Der Gesetzgeber hat Personengesellschaften im Jahr 2021 das Recht eingeräumt, zur Körperschaftsteuer zu optieren. Was zunächst reizvoll erscheint, stellt sich bei näherem Hinsehen als problematisch dar. In der Praxis ist die Option zur Körperschaftsteuer deshalb ein Ladenhüter geblieben.
Es klingt verlockend: Ohne den Gang zum Notar zur Durchführung eines Formwechsels soll die Personengesellschaft zur Körperschaftsteuer optieren können. So erfolgt die Besteuerung nicht mehr unter dem Einkommensteuerregime, sondern wie in der Kapitalgesellschaft zweistufig nach dem Regime der Körperschaftsteuer: Bleiben die Gewinne im Unternehmen werden sie mit nur rd. 15 % Körperschaftsteuer und (je nach Hebesatz der Kommune rd.) 15 % Gewerbesteuer besteuert. Erst wenn die Gesellschaft die Gewinne an ihre Gesellschafter auszahlt, wird die zweite Stufe der Besteuerung auf die „Ausschüttung“ angewendet (Abgeltungsteuer oder Teileinkünfteverfahren). Die Flexibilität der Personengesellschaft soll so mit der körperschaftsteuerlichen Thesaurierungsbegünstigung kombiniert werden. Die für die Personengesellschaften schon seit einiger Zeit mögliche, aber im Detail sehr komplexe Thesaurierungsbegünstigung nach § 34 a EStG würde obsolet.
Zugegeben: Den Gang zum Notar bleibt erspart. Der Gesetzgeber hat die Option zur Körperschaftsteuer aber ausgestaltet wie einen (fiktiven) Formwechsel nach dem Umwandlungssteuergesetz. Daher müssen alle dort erforderlichen Formalien beachtet werden; anderenfalls erfolgt die Option zur Körperschaftsteuer nicht zum Buchwert, sondern werden zunächst alle stillen Reserven aufgedeckt, mit dem (hohen) Steuersatz nach dem Einkommensteuergesetz besteuert und erst im Anschluss greift das Regime der Körperschaftsteuer. Das bringt im Ergebnis zahlreiche Probleme mit sich.
- Die Begünstigung greift nur, wenn auch alles (notwendige) Sonderbetriebsvermögen eingebracht wird. Sonderbetriebsvermögen ist solches Vermögen, das ein Gesellschafter der Personengesellschaft zur Nutzung überlässt oder das zumindest der Stärkung seiner Beteiligung an der Personengesellschaft dient. Häufig finden sich Grundstücke oder auch Beteiligungen an Kapitalgesellschaften im Sonderbetriebsvermögen; so werden sie steuerlich mit der Personengesellschaft verknüpft, gehören aber zivilrechtlich dem Gesellschafter und somit dem Betrieb als Haftungsmasse entzogen.
- Sonderbetriebsvermögen dient nicht selten als Abschirmung vor einer Haftung aus dem Betrieb der Personengesellschaft. Mit der Option zur Körperschaftsteuer muss diese zivilrechtliche Haftungstrennung aufgegeben werden; zudem können sowohl Grundstücke als auch Beteiligungen an Kapitalgesellschaften nur durch notariell zu beurkundenden Vertrag in die Personengesellschaft eingebracht werden.
- Werden Grundstücke eingebracht, löst das wohl auch Grunderwerbsteuer aus, da die Steuerbefreiungen der §§ 5 und 6 des Grunderwerbsteuergesetzes nicht greifen.
- Personengesellschaften sind häufig im sog. Vierkontenmodell (oder einem Modell mit noch mehr Gesellschafterkonten) organisiert. Dabei werden die Gewinne der Personengesellschaft am Jahresende auf ein Darlehenskonto (auch Privatkonto genannt) der Gesellschafter entsprechend ihrer Beteiligungsquote umgebucht und können dort bei Bedarf entnommen werden. Diese Flexibilität erfährt durch die Option zur Körperschaftsteuer massive Einschränkungen, da diese Umbuchungen (fiktive) Gewinnausschüttungen darstellen, die die zweite Besteuerungsstufe (Abgeltungsteuer/Teileinkünfteverfahren) auslösen.
- Verzieht ein Personengesellschafter ins Ausland, hat das bei der Personengesellschaft im Regelfall keine Auswirkungen, weil er mit seiner Beteiligung eine Betriebsstätte im Inland behält. Nach der Option zur Kapitalgesellschaft würde ein Wegzug dagegen eine Wegzugsbesteuerung auslösen, sodass alle stillen Reserven aufgedeckt würden.
- Ist erst einmal zur Körperschaftsteuer optiert, kann die Entscheidung in den folgenden sieben Jahren nur unter Inkaufnahme von Einkommensteuerbelastungen wieder rückgängig gemacht werden. Wie oben ausgeführt, vollzieht sich der fiktive Formwechsel zum Buchwert. Damit es nicht möglich ist, die Anteile danach zu verkaufen und im Rahmen des Verkaufs zu einem ggf. günstigeren Steuersatz (Abgeltungsteuer/Teileinkünfteverfahren) zu versteuern, sieht das Umwandlungssteuergesetz eine siebenjährige Behaltensfrist vor. Bei Verstoß wird der sog. Einbringungsgewinn besteuert, d. h. rückwirkend auf den Zeitpunkt des fiktiven Formwechsels wird die Buchwertfortführung versagt; so wird der Übergang vom Einkommensteuerregime zum Körperschaftsteuerregime (zumindest teilweise) steuerpflichtig. Ein solcher Verstoß gegen die Behaltensfrist löst auch die Rückoption zur Einkommensteuer aus.
- Unklar ist schließlich die Behandlung der Personengesellschaft in der Erbschaftsteuer, denn diese knüpft in zahlreichen Punkten an die einkommensteuerliche Behandlung an. Zwar hat die Finanzverwaltung bereits festgelegt, dass der Personengesellschaftsanteil erbschaftsteuerlich begünstigungsfähig bleibt, auch wenn er 25 % oder weniger beträgt; unklar ist aber die Behandlung des Sonderbetriebsvermögens, das von der erbschaftsteuerlichen Begünstigung miterfasst ist. Ob es künftig erbschaftsteuerlich „fiktives Sonderbetriebsvermögen“ geben wird, bleibt abzuwarten. Zugegebenermaßen dürfte die Relevanz dieses Spezialproblems gering sein, da zumindest das notwendige Sonderbetriebsvermögen zum Erhalt der einkommensteuerlichen Buchwertfortführung im Rahmen der Option ja eingebracht werden muss.
Festzuhalten bleibt nach alledem, dass die Option zur Körperschaftsteuer sich als unpraktikabel herausgestellt hat und deshalb in der Praxis – soweit ersichtlich – so gut wie nicht angewendet wird.
Gern beraten wir Sie in Fragen Ihrer rechtlichen und steuerlichen Struktur!
Ihr
Oliver Stehmann