Wann die Einzelveranlagung von Ehegatten günstiger ist
5. April 2018

Das Grundgesetz fördert Ehe und Familie in besonderer Weise. Eine Folge davon ist die Zusammenveranlagung von Ehegatten zur Einkommensteuer. In der Regel profitieren die Ehegatten davon. Doch es gibt Ausnahmen.

Die Zusammenveranlagung ist im Normalfall günstiger. Das ist recht einfach erklärt: Nutzt ein Ehegatte seine Freibeträge und Vergünstigungen nicht vollständig aus, bleibt dieses nicht ausgeschöpfte Potential nicht ungenutzt, sondern wird dem anderen Ehegatten zur Verfügung gestellt. Rechtstechnisch werden hierfür Freibeträge etc. addiert und auf das gemeinsame Einkommen der Ehegatten angewendet.

In Einzelfällen ist dennoch die Einzelveranlagung von Ehegatten günstiger. Das liegt an der systematischen Ausgestaltung mancher Vergünstigungen und Belastungen. Einige Beispiele:

Sonderausgaben

Der Sonderausgabenabzug für Vorsorgeaufwendungen (z. B. Kranken-, Pflege-, Haftpflicht-, Unfall- und Arbeitslosenversicherung) auf EUR 2.800 (für Selbständige) bzw. EUR 1.900 (für Arbeitnehmer) pro Person beschränkt. Auch hier werden die Grenzen für Ehegatten addiert. Allerdings sind die Beiträge für Kranken- und Pflegeversicherung immer voll abzugsfähig. Übersteigen – wie häufig – die Krankenversicherungsbeiträge der Ehegatten den Höchstbetrag der Vorsorgeaufwendungen, laufen also die weiteren Vorsorgeaufwendungen (Haftpflicht-, Unfall- und ähnliche Versicherungen) ins Leere. Liegen die Vorsorgeaufwendungen des einen Ehegatten unterhalb des Höchstbetrags, werden bei der Einzelveranlagung andere – bei Zusammenveranlagung ins Leere laufende – Vorsorgeaufwendungen bis zur Ausschöpfung des Höchstbetrags berücksichtigt. Bei Zusammenveranlagung wären sie durch Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge des anderen Ehegatten mit verbraucht worden.

Außergewöhnliche Belastungen

Außergewöhnliche Belastungen wie z. B. Krankheitskosten sind nur abzugsfähig, wenn sie das Nettoeinkommen über Gebühr belasten. Die Grenze wird als zumutbare Eigenbelastung bezeichnet und hängt von Einkommen, Familienstand und Kinderzahl ab. Bei einer Einzelveranlagung ist es denkbar, dass ein Ehegatte mit seinen Krankheitskosten seine zumutbare Eigenbelastung überschreitet, weil diese Grenze nur von seinen Einkünften und nicht von den Gesamteinkünften der Ehegatten berechnet wird.

Lohnersatzleistungen

Lohnersatzleistungen (z. B. Elterngeld oder Krankengeld) werden (formal) nicht besteuert. Sie erhöhen aber den Steuersatz auf die übrigen Einkünfte (sog. Progressionsvorbehalt). Bei einer Zusammenveranlagung erhöht sich deshalb auch der Steuersatz der Einkünfte des Ehegatten, der diese Lohnersatzleistungen nicht erhält.

Kirchgeld

Ist nur einer der Ehegatten Kirchenmitglied besteht eine sog. „glaubensverschiedene Ehe“. Ist ein Ehegatte kein Kirchenmitglied und hat keine eigenen Einkünfte, erhebt die Kirche ein besonderes Kirchgeld in glaubensverschiedener Ehe von bis zu EUR 3.600 pro Jahr. Durch Einzelveranlagung wird dies vermieden.

Verluste

Hat einer der Ehegatten steuerliche Verluste erzielt, werden diese mit den Einkünften des anderen Ehegatten verrechnet. Sind die Verluste entsprechend hoch, kann Verlustverrechnung die Einkünfte beider Ehegatten soweit mindern, dass keine Steuer mehr anfällt. Allerdings bleiben so möglicherweise z. B. Sonderausgaben oder Steuerermäßigungen auf Handwerkerleistungen ungenutzt. Hier kann eine Einzelveranlagung (ggf. in Kombination mit einem Rücktrag des Verlusts in das Vorjahr) vorteilhaft sein. Gerade bei der Verlustverrechnung ist ein Steuervorteil nicht immer eindeutig zu ermitteln, weil diese meist auch von künftigen Verhältnissen (z. B. Einkommen und Steuersätze der Folgejahre) abhängt, die bei Erstellung der Steuererklärung noch unbekannt sind.

Wir prüfen für unsere Mandanten im Rahmen der Erstellung der Steuererklärungen stets, welche Veranlagungsform im entsprechenden Jahr die Günstigere ist.

Ihr

Oliver Stehmann